Jennersdorf

 

 

Besinnlich steh ich auf dem Hügel
und schau ins nahe Tal hinab.
Erinnerungen regt ihre Flügel,
dort schlängelt sich das Band der Raab.

Dort haben wir so oft gebadet
in sommerlicher warmer Flut,
und keinesfalls hat uns geschadet
dabei der Jugend Übermut.

Hier breiten sich die Häuserzeilen,
vor kurzer Frist noch eingeengt,
indes die Zeit im Vorwärtseilen
nunmehr des Ortes Grenzen sprengt.

Der Kirchturm ragt wie in den Tagen,
da ich als Schulbub ihn bestieg
und laut die Glocke angeschlagen.
Vertraut sind Frieden ihm und Krieg.

Das Schulhaus steht in seiner Nähe,
das manches Jahr ich treu besucht.
Des Lehrers nimmermüde, zähe
Geduld trug schließlich ihre Frucht.

Der Friedhof auf dem sanften Hange
zeigt seine stillen Gräberreihn.
Die Eltern ruhen hier schon lange,
und wo werd ich begraben sein?

Das Tempo unsrer raschen Tage
hat auch den ganzen Markt geprägt.
In mancher kühnen Werksanlage
der Bürgerfleiß sich emsig regt.

Und Wasserleitung, neue Straßen,
Kanal, ein wunderbares Bad.
Der Markt kann sich jetzt sehen lassen,
er wandelt sich bereits zur Stadt.

Ich stehe noch wie traumverloren
und kehr zur Wirklichkeit zurück.
Mein Heimatort, wo ich geboren,
ich wünsch dir weiterhin viel Glück!

 

 

Heuer fuhr ich mit meinem Ältesten über Graz in die Jennersdorfer Heimat. Tage zuvor hatte es geregnet. Ein herrlicher Sommermorgen liegt über dem Raabtal, das in der klaren Sonne sich anheimelnd und anmutig dehnt. Jennersdorf hat sich vorteilhaft gewandelt. Es ist sehr viel gebaut worden. Ein Schmuckstück bildet das neue Rathaus, durch dessen repräsentative Räume uns Bürgermeister Dr. Thomas und Oberamtmann Scheuhammer führen. Nicht minder staatlich wirkt der benachbarte Gasthof Raffel, dessen Eigentümer Gastwirt aus Leidenschaft ist und der die nötige Fremdenverkehrsgesinnung und einen rühmlichen Unternehmungsgeist besitzt. Bezaubernd wirkt der Pikkolo, ein Dreikäsehoch, der mit erstaunlicher Routine serviert, kassiert, die Gäste unterhält und sie mit Grandezza verabschiedet. Man merkt die hohe Schule des Chefs.
Die Gemeinde trägt sich mit großen Plänen. Im Vordergrund steht die Gründung eines namhaften Textilbetriebs. Die Gemeinde ist zu großen Opfern bereit. Wohltuend aber wirken die sorgfältige Überlegung und Sparsamkeit, womit man zu Werke geht, um mit den vorhandenen Mitteln den bestmöglichen Erfolg zu erreichen.
Anschließend bringt uns der Bürgermeister mit seinem Wagen nach Rax, wo wir das römische Brandgräberfeld im Walde besichtigen. Es handelt sich um rund sechzig Tumuli, die spätestens aus dem 2. Jhdt. n. Ch. stammen, da um diese Zeit der Kult der Totenverbrennung vom Markomannensturm überbraust und vernichtet worden ist.
In den "Bergen", wo ich zu Hause bin, hat sich gleichfalls manches gewandelt. Die Bauern haben sich einerseits modernisiert, andererseits hat die Landflucht nie gekannte Ausmaße erreicht. Die weitere Bewirtschaftung zahlreicher Betriebe ist völlig in Frage gestellt. Der Kleinbetrieb stirbt, weil die Menschen dazu fehlen, zumal die Jugend zur Industrie strömt. In welcher Form aber soll man zu gesunden und rentablen landwirtschaftlichen Mittelbetrieben gelangen und wie weit lässt sich die Landwirtschaft im Hügelland technisieren? Der Übergang zu lohnenden Spezialkulturen wird unvermeidlich sein. In Henndorf betreibt ein Bauer bereits eine Großgärtnerei, der seine Erzeugnisse mit eigenem Wagen in die steirischen Industrieorte bringt.
Wir wandern die mir altvertrauten Pfade. Vom Rande des schweigenden Waldes schauen wir zu Tal. Dort träumt der Ort in der Abendruhe, und unweit davon ragt wie eh und je der Tafelberg.
Am nächsten Morgen besichtigen wir die Raabregulierung bei St. Martin. Hier plant die Gemeinde Jennersdorf die Errichtung einer zweckentsprechenden Badeanlage, die heute für den Fremdenverkehr unumgänglich notwendig ist. Dieses anmutige, waldreiche Hügelland mit seinen stillen Tälern scheint für den Fremdenverkehr wie geschaffen. Schon gibt es hervorragende Straßen und zeigt sich privater Unternehmungsgeist. Was bedeuten im Zeitalter der Motorisierung schon Kilometer? Wenn uns Friede und wirtschaftlicher Fortschritt erhalten bleiben, darf man Jennersdorf und seiner Umgebung eine beachtliche Entwicklung voraussagen.
Dann entführt uns der Bus, entlang des Tales des Dolberbaches, nach dem malerisch gelegenen Neuhaus. Hier besuchen wir die Ruine, einst eine wehrhafte Burg, die der Schlaininger Söldnerführer Andreas Baumkircher in seinen streitbaren Tagen gebrochen hat. In der Nähe liegt der Tabor, der zu einem modernen Fremdenverkehrsbetrieb ausgebaut werden soll.